Tragisch und Dramatisch

Es gibt den tragischen und den dramatischen Charakter.
Der dramatische, um mit dem einfacheren anzufangen, hat seine Höhen und Tiefen und ist in diesem Spannungsfeld lokalisiert. Er läuft wie auf Schienen, den Schienen seines Charakters. Da mag es Geleise, deviationen und Strömungen geben, Prellböcke, cul-de-sacs, tote Winkel, whatever. Jedenfalls passiert, was passieren muss. Es gibt keinen Zufall. Alles ist Schicksal. Leute dieser prädisposition und dieses Zuschnitts erleben immer dasselbe, in immer wiederkehrenden Variationen, ad infinitum. Die überlebenskraft dieser Spezies ist ungebrochen. Sie pflanzen sich fort. Sie ist evolutionsbiologischer Mainstream. Faktum.

Der tragische Charakter lebt vielleicht sogar lange zeit parasitär partizipierend auf und an dem dramatischen Charakter. Verschmilzt sogar manchmal mit demselben, amalgamiert und wechselt sogar oft erstaunlich leicht die Seiten. Das könnte man Rettung nennen, Flexibilität, Konzilianz, whatever. Der entsprechende Charakter gerät nach einem anfänglichen selbstmissverständniss in ruhigeres Fahrwasser und wird irgendwann absolut zuverlässig und konservativ im besten Sinn des Wortes. Die affirmation ist seine erste und letzte Leidenschaft.

Aber der tragische Charakter, der sich diese Schwäche nicht gestattet, geht ins ziel- und grenzenlose. Er verliert jedes Maß, tobt und schreit wie ein Jinn, spuckt auf alles und setzt nichts an seine Stelle – bis er durch einen fatalen Zufall, a simple twist of fate, zu seiner Essenz vorstößt – und alles aushebelt, was ihn produzierte, am Leben erhielt und gewissermaßen unsterblich machte. Graf Leinsdorf in R. Musils „Mann ohne Eigenschaften“ ist so ein Typ. Ewig in seiner Konzeption und unfassbar lächerlich in seiner Realität.

Das was diese beiden Extreme miteinander zu versöhnen versuchte, die sog. Bürgerliche Gesellschaft, speist sich aus der energie, die zwischen diesen polen oszilliert. Und die Goldfische der average-people schwimmen in diesem galvanischen bad, als ob es nie etwas anderes gegeben hätte. Das Pleistozän.

Buddha, Jesus, Mohamed, hitler, stalin und Pol Pot, Mao Tse Tung, und all die namenlosen apologeten rennen im Kreis um das epizentrum des Weltgeistes, der wie eine fata morgana direkt in der blickachse eines jeden pulst und sich immer wieder in diesen tragischen vexationen manifestiert, die den einzelnen zum Verbrecher, zum Idol der Brandung der Jugend macht, die in den ihr vorausbestimmten Abgrund stürzt und wie ein Phönix aus der Asche steigt.

Man steigt kein zweites mal in denselben fluß.
Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Das Leben ist dort wo Mord und Massaker stattfindet – und nicht da wo Friede und Eintracht herrscht. Und der heimliche perfide neid des pazifizierten aschemenschen der westlichen Welt auf den leidenschaftlichen irren, den Schlächter und kosmischen Nazi zersetzt jede Selbstachtung des zivilisationsmenschen, der keinen begriff von seiner Kultur hat, die in nichts anderem besteht als Explosion.

Das beschreiben ist am Ende. Das Ende ist das beschreiben. Es gibt keinen Ablauf der Dinge mehr. Die Dinge sind multidimensional geworden. Lichtgeschwindigkeit. Und sie waren es von Anfang an. Das Chaos und die Ordnung sind keine siamesischen Zwillinge, sondern Todfeinde.

Goethe in marienbad, Rimbaud in Afrika, die gebatikte Metaphysik meaterlinks, die frühlingsnacht. Luzifer, der hinausgeschmissene Engel, war der einzige in der Engel schar, der das gottesprojekt weitertreibt. Gott selbst hat längst aufgegeben. Das Gottesdenken ist die selbstmordobsession des Menschen.

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